Textgebundene Erörterung: „Die Grenzen meiner Sprache“

Ich fand beim Aufräumen einen alten Aufsatz aus meiner Schulzeit, den ich immer noch durchaus spannend finde. Er ist außerdem ein gutes Beispiel für eine textgebundene Erörterung. Leider fehlen mir die korrekten Quellenangaben für die Bezugstexte, wer da mehr weiß, möge sich bitte gern bei mir melden!

Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt

Was ist Sprache? Sie besteht aus Wörtern. Was ist ein Wort und was bedeutet es? Ludwig Wittgenstein versucht in seinem Text „Spiele – Versuch einer Definition“ zu klären, was das Wort „Spiele“ bedeutet. Es gelingt ihm nicht, eine eindeutige Definition herauszuarbeiten, die klar festlegen würde, was ein „Spiel“ ist und was nicht. Daher kommt er zu dem Schluß, dass der Begriff nicht abgegrenzt ist. Ebenso verhält es sich mit jedem anderen Wort. Grenzen, die die Bedeutung eines Wortes exakt festlegen, gibt es beinahe nie. Sie werden von jeder Person selber gezogen, schließt Wittgenstein daraus. Als Ergänzung kann man anführen, dass jeder somit seine Wortbedeutungsrenzen nach eigener Erfahrung zieht. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Jugendsprache. Für einen nicht eingeweihten Erwachsenen bedeutet das Wort „heiß“ eine erhöhte Temperatur. In der Jugendsprache bedeutet es aber auch „gut“, „Klasse“, „toll“ und „gutaussehend“ (u.a.). Man sieht also, dass Wortdefinitionen immer vom eigenen Erfahrungsschatz beeinflusst werden, und damit auch die Sprache und ihr Gebrauch.

Dies führt zu der These, dass man an den Abgrenzungen in der Sprache eines Menschen sein Weltbild erkennen kann. Denn das Weltbild wird von denselben Erfahrungen geprägt wie die Sprache. Auf diese Weise kann man die Aussage „Wittgenstein „Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“ bestätigen. Denn wo der Erfahrungsbereich, die persönliche Welt, aufhört, da hört auch die Sprache auf. Umgekehrt formuliert: Wo die Sprache die Grenzen setzt, dort hört die erfahrene Welt auf.
Unterstützend für die These ist auch die Tatsache, dass Dinge, die vom Menschen nicht verstanden und benannt werden können, ihm Angst einjagen. Er muss es „begreifen“ können und mit einem „Begriff“ belegen können. Nicht von ungefähr stammen diese beiden Wörter aus der gleichen Wortfamilie. Etwas nicht benanntes liegt außerhalb der Welt eines Menschen. Wo die Sprache endet, endet also auch die sichere, erfahrbare Welt eines Menschen und Angst und Ungewissheit treten an ihre Stelle. „Sprachlos vor Schrecken oder Angst“ ist ein Beispiel dafür, ebenso die Schweigeminute für Tote. Wo die Sprache endet, endet eben auch das Verständnis und die erfahrbare Welt.

Beide Feststellungen unterstützen Wittgensteins These, rufen aber gleichzeitig den Eindruck hervor, dass eigentlich nicht die Sprache die Welt, sondern vielmehr die Welt die Sprache begrenzt. Betrachtet man die Konsequenzen, die beide Feststellungen hervorrufen, so gelangt man zu einem weiteren Argument, das Wittgensteins These direkter unterstützt.
Da die Weltbilder aller Menschen verschieden sind, und sie sich in der Sprache erkennen lassen, wie vorne aufgeführt, führt dies dazu, dass bei jeder menschen Kommunikation durch Sprache stets die unterschiedlichen Weltbilder aufeinanderprallen. Dies führt durch unterschiedliche Wortdefinitionen und ähnlichem zu Konflikten und gestörter Kommunikation. Die Mitteilung kommt nicht si beim Empfänger an, wie der Sender es sich gedacht hat. Diese Probleme treten schon auf, wenn man diesselbe Sprache spricht. Beispiel: „Das Konzert war heiß!“ – „Wieso, war zu stark geheizt?“. Sie vertiefen sich aber noch ungemein, wenn Sender und Empfänger unterschiedliche Sprachen sprechen.
Hinzu kommt als Konsequenz der zweiten Feststellung, dass eine unbekannte Sprache für einen Menschen etwas Unbekanntes, nicht mit den „richtigen“ Begriffen Belegtes, ist. Unbekannte Sprachen und Zeichen rufen daher Missverständnisse und Angst hervor. Die Grenzen unserer Sprache begrenzen damit also auch unsere erfahrbare Welt. Denn wir können nur erfahren, was wir verstehen, alles andere liegt außerhalb unserer Welt.

Neben allen diesen Grenzfunktionen der Sprache, die eher unbewusst geschehen, sollte man nicht vergessen, dass Sprache oft auch mit Absicht zur Abgrenzung eingesetzt wird – und eben auch eingesetzt werden kann. Deutsch ist anders als Französisch, Deutsche also anders als Franzosen, Alte sprechen anders als Junge, Gebildete anders als Ungebildete.
Das Weltbild und die Sprache eines Menschen sind untrennbar miteinander verbunden, das eine beeinflusst stets das andere. Man kann daher sehr wohl sagen, dass Wittgensteins These wahr ist. Mann könnte sie aber genauso gut andersrum formulieren: „Die Grenzen meiner Welt sind die Grenzen meiner Sprache.“ Was nun was begrenzt, ist letztendlich genauso wenig zu sagen wie die Frage, was ein „Spiel“ ist und was nicht, zu beantworten ist.

2 Kommentare

  1. Ich finde den Text hervorragend! Logisch gut strukturiert, dennoch verständlich, erfasst den Inhalt des Ausspruchs sehr gut!
    Aber: ist er nicht eher ein Essay als eine – vom Aufbau recht streng festgelegte – textgebundene Erörterung?

  2. Danke für den Text. Mir kam der Ausspruch von Wittgenstein in den Sinn und ich wollte mal schauen, was ich da im Netz finde.

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